Anlässlich des Siedlerfestes 1999 entstand ein Gedicht über die Siedlergeschichte des Ortes. Die Eltern und Großeltern des Autors sind 1929 aus dem Württembergischen als Siedler nach Rustow gekommen:
Siedlergeschichte
(von Gerhard Kaiser, 1999)70 Jahre sind vergangen seit unsere Alten,
teils mit hoffen, teils mit bangen,
kamen zu siedeln – das ist bekannt,
in diesem schönen Pommernland.Von einem da weis ich, dem war eigentlich klar:
Zum siedeln geht’s nur “Auf nach Kanada”!
Die Frau,die Hermine, die tat da nicht mit.
So weit von der Heimat, da find ich kein Glück.Die Sach ward besprochen, es siegt der Verstand,
bald reiste ein Vortrupp ins Pommernland.Die Zugfahrt war lang, man mußte verschnaufen.
Man beschloß als Abwechslung durch Berlin zu laufen.
Das Hotel war gut, der (Wackel-)Pudding nicht teuer,
dem Wilhelm Zibold war der jedoch ungeheuer.“Du brauchst nit zittre Pudding, I fress’ Di net!”
Dieses teilte er auch dem Ober mit.
Der war erstaunt und bat diskret den Konrad um Rat:
“Sagen Sie bitte, was hat der Herr dort zu dem Pudding gesagt?”Der mußte lachen und dolmetschte dann,
was keiner verstand in dem Preußenland.Die Zugfahrt ging weiter bis irgendwo,
ich glaube, es war bis Toitz-Rustow.
Der Weg durch den Kronwald hat gleich Eindruck gemacht,
denn später dann ging man auch tüchtig zur Jagd.Die Landbesichtigung in Rustow fiel zufrieden wohl aus,
drum fuhr man auch schnell dann wieder nach Haus.Des Vortrupps Bericht in der Heimat war gut,
so faßten wohl alle dort tüchtigen Mut.
Die Reise begann, der Abschied war groß,
per Bahn kam man an,so ging alles los!
Die Zeit die verging, man blieb nicht allein,
es kamen nach Rustow viele Siedler herein.
Aus Schwaben, aus Hessen und anderswo her
die sprachlich Kommunikation war daher oft schwer.Das wollte man ändern und sammelte schlau
einen Haufen Geld für den Schulneubau.
Bürgermeister Dahlhoff aber hat alles versaut,
der hat dafür in Loitz ‘ne Turnhalle gebaut.
Das nahm man ihm übel, alle konten es sehn,
so mußte er darauf den Hut auch bald nehm’.Der Krieg dann bald kam, die Jugend mußte los,
die Zeiten wurden schlecht. Wie überlebt man das bloß?Dann waren die Russen bei Zeitlow schon,
Kanonen taten von dort aus auch Rustow bedrohn.
Auf die Pappel schnell hoch, die weiße Fahne gewindet,
so hat man noch zeitig groß Schaden verhindert.Viele der Söhne kamen nicht wieder,
die Trauer war groß,drum gab’s lang keine Lieder.
Viel Flüchtlinge kamen, die waren schlimm dran,
die Arbeit ging weiter, bald war man sich warm!Gemeinsam ging’s weiter, man hat viel geschafft,
man hat bald ans Feiern und den Moscht* gar gedacht.
Das 25er Fest wurd damals gefeiert, es war wohl ganz toll-
ich war noch nicht dabei.Die DDR-Zeit brachte “neue” Ideen,
aber bald mußte man in die LPG dann gehn.
Rustow ging auch hier voran und brachte sie auf Vorderman.
Nur Siedlerfest feiern, das durfte man nicht,
die Herkunft verleugnen das wäre ganz recht.Trotzdem wurde viel geschafft in der Zeit,
das ging Partei und Regierung auch wieder zu weit.
Es kam der “KAP”-Putsch um die 70er dann,
ein gewalt`ger Kolchos den Großteil verschlang.Ein Institut gar wurde nach Rustow getrixt,
für die Rustower wars gut, doch es half alles nix.
Es ging auf Dauer nicht gut, das war klar,
drum war ’89 die “Wende” auch da.Jetzt hätte man sich „Wiedereinrichten“ können,
doch wer sollt es tun , die Alten waren fast alle in Rente.
Die Kinder meist alles andere als Bauern,
die Brüssler Agenda wird dies kaum bedauern!Das Erbe der Landwirte aus Rustow oh ja,
liegt heut ’99 bei der Marktfrucht GmbH.
70 Jahre Siedlung Rustow, so lang das auch klingt –mal sehn was das neue Jahrtausend uns bringt!
*”Moscht” war das Lieblingsgetränk der schwäbischen Siedler, dem aber auch von vielen anderen Rustowern tüchtig zugesprochen wurde. Der z. Z. letzte Moscht wurde im Herbst ’98 von Axel Dehn, welcher die edle Kunst des “Moschtens” von dem mit derzeit 84 Jahren amtierenden Seniors der Schwabensippe, Karl Kaiser (Anm.: 1915-2000), gelernt hat!
Anmerkung 1 (2001):
Der Text ist bereits von 1999. Mittlerweile gab es natürlich wieder neuen Moscht aus dem Jahre 2001 von Axel Dehn und Friedrich Kaiser hergestellt.
Anmerkung 2 (2010):
Seitdem wird fast jedes Jahr wieder “gemoschtet”. Zum Siedlerfest 2009 wurde sogar ein eigener Moschtstand aufgebaut und das einstige Lieblingsgetränk der Rustower an die sehr interessierten Besucher des Festes verkauft.
Anmerkung 3 (2014)
Auch für das kommende 85.Siedlerjubiläum Anfang September steht der Moscht schon bereit. 😆